Wicca – Tödlicher Kult

 

Gerade eben war Hannah Peters noch mitten im Dschungel von Honduras mit einer Ausgrabung beschäftigt, als sie wegen des Bürgerkriegs Hals über Kopf abreisen muss. Eigentlich wollte sie die ungeplante Auszeit nutzen, um Zeit mit Mann und Tochter zu verbringen, die sie schon eine Weile nicht mehr gesehen hat und macht sich auf den Weg zu ihnen. Doch da immer alles anders kommt als geplant, schlittert Hannah schon wieder in das nächste Abenteuer.

 

Ihre Freundin, die Reporterin Leslie Rickert, steckt gerade mitten in Recherchen um einen uralten Hexen-Kult und um verschwundene junge Mädchen. Schnell steckt sie Hannah mit ihrem Ermittlungseifer an und Hannah reist kurzentschlossen zu ihr nach England. Ihre Nachforschungen bringen mehr als einen Stein ins Rollen und Hannah und Leslie geraten rasch in den Fokus von Ambrose van Tyne, der im Kult einen hohen Rang innehat. Was als freundliches Geplänkel und Einladung zu einer Wicca-Feier anfängt, wird für die beiden Frauen schnell gefährlich. Keiner darf sich dem Kult in den Weg stellen, denn die Anführer des Kultordens wollen um keinen Fall ihre Macht aufgeben. Und dafür gehen sie buchstäblich über Leichen.

 

Wie üblich hat mich Thomas Thiemeyers Schreibstil begeistert: Bildgewaltig und detailliert, ohne in belanglose Beschreibungen abzudriften mit authentischen Charakteren, die mal mehr und mal weniger sympathisch wirken. Die Mischung aus alten Kulten und Ritualen, altertümlichen Orten, Thrilleraspekten und einer Portion Fantasy ist dem Autor bei „Wicca“ sehr gut gelungen. Seine Recherchearbeiten scheinen immer sehr tiefgründig zu sein und haben ihn dieses Mal bis nach Jordanien geführt, wo ein Teil der Handlung stattfindet. Zudem spielt der Film „The Wicker Man“ hier eine große Rolle. Ich muss zugeben, dass mir zwar der Titel bekannt ist, aber ich den Film nie gesehen habe – allerdings bin ich neugierig geworden und werde das bald mal nachholen.

 

Trotzdem hat mich das Buch nicht wirklich endgültig umgehauen, da mir das letzte bisschen Spannung fehlte. Es gab immer wieder ein paar Spitzen, aber der richtige Höhepunkt blieb dann doch aus. Und dann auf einmal … die letzte Seite … Ende … für meinen Geschmack zu plötzlich und zu abrupt. Trotzdem würde ich es sofort weiterempfehlen.

 

 September 2019

 Hardcover, 496 Seiten

 Knaur, ISBN 978-3-426-65364-7

 VÖ: August 2019

 

Babylon

 

Im irakisch-syrischen Grenzgebiet wurde von Archäologen ein pyramidenförmiges Bauwerk entdeckt. Die Besonderheit: Es wächst nicht in die Höhe, sondern in die Tiefe. Milliardär Norman Stromberg, der hier ein Geheimnis wittert, setzt Hannah Peters und ihren Mann John Evans auf diesen Fund an, will er doch herausfinden, was sich hinter diesem Fund verbirgt. Denn die Entdecker der Pyramide – Professor Hammadi und sein Sohn – sind beide tot. Wurden Sie ermordet? Oder handelte es sich um Mord und Selbstmord? Das Team rund um Hannah hat bei diesem Auftrag gemischte Gefühle, denn etwas Seltsames geht von dem Fund aus.

 

Der Großteil dieses Buches ist eine gekonnte Mischung von Fiktion und Realität. Zum einen gibt es diesen mysteriösen „Turm“. Gebaut in die Tiefe, geht es 9 Stockwerke nach unten zu einem verschlossenen Portal. Handelt es sich bei diesem Bauwerk um ein Grabmal? Oder etwa doch um den sagenumwobenen Turm zu Babel, wie Norman Stromberg glaubt? Noch dazu hören manche der Protagonisten seltsame Stimmen, es gibt unerklärliche Stromausfälle und auch das ein oder andere Flugzeug fällt vom Himmel. Trotz dieses Mysteriums wird man immer wieder in die Realität geworfen, denn die Handlung spielt sich mitten im Krisengebiet des Grenzlandes zwischen Syrien und dem Irak ab. Und schon haben wir die ersten Terrorgruppen auf dem Schirm, vom IS entführte (und ermordete) Journalisten, Gefangenschaft, Folter und und und. Ziemlich schonungslos und teilweise detailliert beschrieben, so dass man auch mal ein Körperteil durch die Luft fliegen „sieht“.

 

Auch wenn ich zuerst mit diesem Teil der Story gar nichts anfangen konnte, fand ich ihn im Nachhinein am spannendsten. Das letzte Drittel allerdings war – selbst wenn ich das Buch nur unter Fantasy einordnen wollte – zu viel. Seltsame Zufälle (der Fund des „Schlüssels“ zum Portal im Meer, den man dann auch gleich zuordnen kann), dann zu lösende Aufgaben bei der Erkundung des Turms, tödliche Fallen … Nichts gegen einen Genre-Mix, aber manchmal ist es dann doch zu viel des Guten. Und leider bin ich auch mit einem Großteil der mitspielenden Charaktere nicht warm geworden. Dies mag daran liegen, dass ich die Vorgängerbände rund um Hannah Peters und Co. nicht kenne und sie mir daher nicht sympathisch wurde. Denn ich weiß, dass Thomas Thiemeyer es schon schafft, beim Leser eine Bindung zu den Protagonisten aufzubauen (zumindest ging es mir bei „Devils River“ so).

 

Bei der Bewertung des Buches bin ich ein wenig zwiespältig. Die Stellen, die mir gefallen haben, haben mich wirklich gefesselt. Andere dagegen waren mir zu abstrus, so dass ich sie (vor allem zum Ende hin), nur noch quergelesen habe. Ich vermute, mit Hannah Peters werde ich nicht mehr warm, aber Bücher im Stil von Devils River werde ich gerne wieder zur Hand nehmen.

 

Bei „Babylon“ handelt es sich um den vierten Teil einer Reihe um die Archäologin Hannah Peters. Man kann ihn durchaus einzeln lesen; es gibt immer mal wieder Hinweise auf die vorhergehenden Teile und auch die Entwicklung der Protagonisten ist fortlaufend, aber man muss diese Vorkenntnisse nicht unbedingt haben.

 

 Juni 2016

Knaur, ISBN 978-3426653630

Broschur, 528 Seiten

VÖ: März 2016

Devil's River

 

Gegenwart: Eves geliebte Großmutter ist gestorben und hat ihr das Haus der Kindheit und die Geschichte ihrer Familie hinterlassen. Schnell taucht sie in die Vergangenheit und findet unglaubliches heraus. Vergangenheit: Nathan Blake ist ein brutaler Mörder und auf der Flucht. Innere Dämonen haben ihn zu dem gemacht, was er nun ist. Ihm auf den Fersen sind ein Sheriff, dessen Deputy, der Bürgermeister der Stadt und zwei Detektive – alle haben mehr oder weniger persönliche Motive, ihn zu fassen. Zur gleichen Zeit in der Vergangenheit: River, die junge Heilerin der Ojibwe, findet ihr Dorf zerstört und die Bewohner ermordet vor, als sie vom Kräutersammeln zurückkehrt. Für diese Tat macht sie eine Kreatur aus den Legenden verantwortlich und schwört, diese zu vernichten und ihren Stamm zu rächen. Hilfe erhält sie ausgerechnet von Nathan Blake.

 

Ein „Buch im Buch“ und ein gekonnter Genremix. Dies zeichnet Devil’s River aus. Die Geschichte startet in der Gegenwart mit Eves Erbschaft. Man lernt sie und ihre Familie – die herrschsüchtige Mutter, den ruhigen und zurückhaltenden Vater, ihren etwas steifen Verlobten und die quirlige beste Freundin – kennen. Gemeinsam mit Eve findet der Leser das Tagebuch der Großmutter und taucht mit ihr gemeinsam in die Familiengeschichte ab. Schnell ist man von der Handlung aus der Vergangenheit gefesselt. Diese teilt sich nochmals in verschiedene Erzählstränge: Nathans Geschichte und die Morde, die er verübte und die Handlung rund um River. Immer wieder kurz unterbrochen von „Ausflügen“ in die Geschichte der Gegenwart, fiebert man mit River mit.

 

Die Protagonistin River war mir von Beginn an sympathisch. Zielstrebig, mutig und stark verfolgt sie ihr Ziel. Sie weiß, was es heißt, ein Außenseiter zu sein, doch sie lässt sich nicht unterkriegen. Der eigentliche „Böse“ – Nathan Blake – wuchs mir im Laufe der Geschichte auch ans Herz. Ein gequältes Kind wird zu einem widersprüchlichen Mann, zu einem drogensüchtigen Mörder. Seine Taten sind nicht entschuldbar, aber trotzdem entwickelte ich ein wenig Mitleid mit ihm. Eve dagegen war nicht wirklich präsent. Liest man den Klappentext, erwartet man, dass sie die Hauptperson des Buches ist. Doch ihre Geschichte wird von River und Nathan eher in den Hintergrund gedrängt, so dass sie „nur“ eine Nebendarstellerin für mich blieb.

 

Thomas Thiemeyer hat die Handlungen gut miteinander verknüpft. Auch die unterschiedlichen Genre passen unerwartet gut zusammen: ein wenig Familienroman, ein wenig Thriller, ein wenig Mystery gemischt mit Mythologie. Sein Schreibstil hat mich sofort mitgerissen und begeistert: Bildhaft, detailreich und flüssig.

 

Ich bin begeistert. War ich zuerst noch ein wenig skeptisch, ob mir das Buch liegt (ich erwartete etwas wie einen Western), habe ich schon nach wenigen Seiten meine Meinung geändert und mochte das Buch nicht mehr weglegen. Mein erstes Buch des Autoren – und gleich ein Highlight.

 

April 2015

Knaur, ISBN 978-3426517154

Broschur, 512 Seiten

VÖ: März 2015