Vergissdeinnicht

 

Die siebzehnjährige Grace will sich umbringen. Mit den Worten, sie fährt zu ihrer Freundin, verlässt sie mit einem Messer in der Tasche das Haus, besorgt sich eine Flasche Gin und geht in den Park. Dort – so hat sie beschlossen – soll es geschehen. Doch plötzlich taucht Ethan im Park auf und stört sie bei ihrem Vorhaben. Sie will ihn vertreiben, doch dann verquatschen sie die halbe Nacht. Und dann – Filmriss! Am nächsten Tag wacht sie in einem völlig weißen Raum auf: Weiße Wände, weißer Boden, weiße Möbel, weiße Wäsche. Sonst nichts, außer einem Stapel Papier und Stiften auf dem Tisch. Ethan bringt ihr regelmäßig Essen, doch auf ihre Frage, warum er sie entführt hat, gibt er höchstens mysteriöse Antworten. Und dann beginnt Grace damit, sich alle Probleme von der Seele zu schreiben. Ist es das, was Ethan am Ende zufriedenstellt? Wird er sie, wenn sie ihre Geschichte beendet hat, gehen lassen?

 

Cat Clarke’s Debütroman „Vergissdeinnicht“ lässt sich nur schwer einem Genre zuordnen. Für einen Thriller ist er zu leise. Auch als Jugendroman würde ich ihn nicht einordnen. Auch wenn er in einer eher einfachen Sprache geschrieben ist, da er komplett aus Grace’s Sicht erzählt wird. Die Autorin lässt Grace im Laufe des Romans ihre Geschichte erzählen: Vom Tod ihres Vaters, den sie nicht verwunden hat, von ihrer wilden Zeit mit Alkohol und Jungs, von Sal, ihrer besten Freundin, mit der sie sich zerstritten hat und dann von Nat – ihrer ersten richtigen großen Liebe. Und im Laufe dieses Rückblicks erfährt man viel über Grace’s Gefühlswelt. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie sich selbst gegenüber ehrlich und muss sich mit sich auseinander setzen.

 

Während des Lesens ist man immer auf dem gleichen „Wissensstand“ wie Grace. Nur durch ihre Erzählung werden die Begebenheiten enthüllt, der Leser weiß nichts im Voraus. Ganz im Gegenteil, genau wie Grace fragte ich mich, was Ethan mit ihrer Entführung bezweckt hat – hat ihn ihre besorgte Mutter geschickt, um Grace vor dem Tod zu retten? Oder Nat und Sal, die wegen ihrer Ritzerei Angst um Grace hatten? Irgendwann in der Hälfte des Buches hatte ich eine Ahnung, was es mit ihm auf sich hat und kurz vor dem Ende dachte ich, die Lösung zu wissen. Trotzdem nahm das Ende eine absolut überraschende Wendung.

 

Ich kann „Vergissdeinnicht“ uneingeschränkt empfehlen. Es ist sehr eindringlich geschrieben, ohne dabei reißerisch zu sein. Definitiv eins meiner Lesehighlights in diesem Jahr.

 

Juli 2012

Bastei Lübbe, ISBN 978-3785760611

Taschenbuch, 288 Seiten

VÖ: März 2012